Im Interview mit Farmitoo erzählt Hanna von Prinzessinnengärten über Enstehung, Philosophie und kommende Projekte der sozialen und ökologisch urbanen Landwirtschaft.
Hallo Hanna, kannst du eure Arbeit bei “Prinzessinnengärten” kurz beschreiben?
Ja, klar! Die Prinzessinnengärten sind eine soziale und ökologische urbane Landwirtschaft am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg. Auf einer jahrzehntelang brachliegenden Fläche werden heute gemeinschaftlich über 500 verschiedene Gemüse- und Kräutersorten mitten in der Stadt angebaut. Angefangen haben wir im Sommer 2009, als über hundert Freiwillige diese verwahrloste Fläche vom Müll befreit haben. Seither wurde mit der Unterstützung von Tausenden von HelferInnen die vergessene Brache in einen lebendigen Nutzgarten verwandelt. In einem Bezirk mit hoher Verdichtung, wenig Grün und vielen sozialen Problemen können Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Nachbarn und interessierte Laien – mit einem Wort alle, die wollen – in dieser sozialen und ökologischen Landwirtschaft in der Stadt gemeinsam mit uns lernen, wie man lokal und ökologisch Lebensmittel herstellt und gemeinsam einen neuen Ort urbanen Lebens schafft. Hauptziel unserer Arbeit sind Bildungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Die Aktivitäten sind offen für alle und reichen vom Säen, Pflanzen, Ernten über die Saatgutgewinnung, das Verarbeiten und Konservieren des Gemüses, das Halten von Bienen und den Aufbau eines Wurmkomposts bis hin zu Fragen resilienter und partizipativer Stadtentwicklung von unten. Bei all dem sind wir selber keine Profis oder Experten. Durch gemeinsames Ausprobieren und das Austauschen von Erfahrungen und Wissen eignen wir uns alte Kulturtechniken wieder an, lernen gemeinsam vieles über biologische Vielfalt, Stadtökologie, Klimaanpassung, Recycling, und zukunftsfähige Formen städtischen Lebens.
Woher kam die Motivation für eure Prinzessinengärten?
Inspiriert wurde der Prinzessinnengarten von der urbanen Landwirtschaft in Kuba, wo Menschen Anfang der 1990er Jahre darauf angewiesen waren, ihre Lebensmittel selbst anzubauen. Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion war Kuba ein industriell landwirtschaftendes Land, mit Traktoren, Mineraldüngeeinsatz und relativ großen Feldfluren. Die meisten Rohstoffe für diese Arbeitsweise mussten aber aus hauptsächlich er Sowjetunion importiert werden. Als diese zusammenbrach, brachen auch entsprechende Importe weg und es kam zu einer Ernährungskrise. So wurde der lokale Anbau von Lebensmitteln (auch in der Stadt) von der Regierung gefördert. Menschen, auch jene ohne landwirtschaftliche Erfahrungen, kamen zusammen und bauten gemeinschaftlich unter Austausch von Wissen und Erfahrungen Gemüse und andere Nutzpflanzen an. So entstanden rund um die Anbaugebiete soziale Gemeinschaften, die diese Aktivitäten aufrecht erhalten haben. Dieser soziale Aspekt des Zusammenarbeitens und Wissensaustauschs ist im Prinzip auch die Grundlage für den Prinzessinnengarten. Mit einigen Unterschieden zur urbanen Landwirtschaft in Kuba natürlich: Während in Kuba aus der Notwenigkeit der Ernährungssicherung heraus gegärtnert wurde, besteht hier die Notwendigkeit nicht. Der Prinzessinnengarten versteht sich somit nicht als Produzent von Nahrung sondern von Wissen über ebendiese und unser Verhältnis dazu. Zudem sind die urbanen Gärten in Kuba aus dem sozialen Gefüge heraus entstanden – aus einer selbstverständlichen und im öffentlichen Raum gelebten Nachbarschaftlichkeit. Der Prinzessinnengarten funktioniert in diesem Sinne genau andersherum: hier dient der Garten selbst als Plattform bzw. fruchtbaren Nähboden um daraus eine soziale Gemeinschaft entstehen zu lassen. Bildung, Partizipation und Wissensaustausch sind damit unsere Prinzipien mit denen wir arbeiten, stets mit der Motivation Gemeinschaft zu fördern.
Worauf seid ihr stolz?
Zunächst natürlich, dass es den Prinzessinnengarten nun schon seit 10 Jahren gibt und sich aus ihm heraus eine Vielzahl weiterer Projekte ergeben haben. Es haben sich in dieser Zeit viele Menschen zusammengefunden, die eigene Erfahrungen und Ideen eingebracht haben und Projekte zu unterschiedlichsten Themen realisieren konnten – auch über Berlin und sogar Deutschland hinaus. Jedes Jahr kommen neue Menschen dazu, die für eine Weile, manchmal auch länger, mit uns zusammen arbeiten, mit denen wir Wissen austauschen, von denen wir lernen und gemeinsam Ideen entwickeln, die dann auch in die Welt getragen werden.
Welche Rolle spielen die Unterstützer eurer Initiative?
Wertvolle Unterstützung bekommen wir von den Freiwilligen, die ihre Zeit und Energie in das Projekt stecken und dafür sorgen, dass die Gärten ein lebendiger Raum für Austausch und Zusammenarbeit sind. Dabei werden unsere offenen Gartenarbeitstage angeleitet, die Beete gepflegt, der Garten in Schuss gehalten, Besuchende über das Projekt informiert und vieles mehr. Dafür sind wir sehr dankbar!
Stehen zukünftige Projekte an?
Eines der größten Projekte in der nächsten Zeit ist sicherlich der Ausbau eines weiteren Prinzessinnengartens auf Teilflächen des Neuen St. Jacobi Friedhofs in Berliner Stadtteil Neukölln. Damit haben wir als Trägerorganisation Nomadisch Grün bereits im vergangenen Jahr begonnen, haben vor Ort schon Hochbeete aufgebaut und werden mit den gärtnerischen Aktivitäten zum Ende der Saison 2019 dorthin umziehen. Dies ist auch ein Experiment um herauszufinden, wie ehemalige Friedhofsflächen in Zukunft als gemeinschaftliche Orte und Grünfächen genutzt und erhalten werden können. Gerade diese sind historisch gewachsene urbane Grünräume, die meist alten Baumbestand und vielfältige Fauna aufweisen aber eben auch neue Möglichkeiten des urbanen Gärtnerns und der behutsamen Gestaltung naturnaher Umweltbildungsorte eröffnen. Viele Teile dieser Fläche liegen schon seit mehr als 10 Jahren brach, da sie nicht mehr für Grabstätten benötigt werden. Ein Teilstück davon wurde im letzten Herbst auch von Bodenkunde-Studierenden der TU Berlin auf Nährstoffe, pH-Wert sowie Schadstoffe untersucht und den Ergebnissen nach können wir dort nun unbedenklich direkt im Boden gärtnern. Wie kann man sich urbane Landwirtschaft besser vorstellen als mit einem Gemüseacker mitten in der Stadt?!