Schönen guten Tag Herr Winkler, zunächst einmal vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Bereitschaft dieses Interview zu führen. Beginnend würde ich Sie gerne bitten “Geco-Gardens” vorzustellen.
Mein Unternehmen heißt Geco-Gardens, das ich 2016 gegründet habe, und wir stellen kleine Ökosysteme für das urbane Gärtnern her. Das heisst bei unseren Gärten wachsen die Pflanzen ganz normal in Komposterde und zusätzlich in einer organischen Nährlösung, die aus dem integrierten Wurmkompost gewonnen wird. Diese Systeme verkaufen wir vor allem an Stadtmenschen, sodass sie auf Balkonen, Terrassen, Flachdächern und Innenhöfen gärtnern können, auch wenn sie keinen Garten haben. Grundsätzlich kann man alles anpflanzen, am liebsten sehen wir es, wenn Gemüse und andere essbaren Pflanzen dort wachsen, aber man kann natürlich auch Blühpflanzen anbauen, die wiederum Insekten und der Biodiversität zu gute kommen. Das Ziel ist mehr Grün in die Städte zu bringen und eine neue Verbindung zwischen Lebensmittelproduktion und Konsum herbeizuführen.
Wie seid ihr auf die Idee, die zur Gründung von “Geco-Gardens” geführt hat, gekommen?
Ich bin Agrarwissenschaftler, arbeite und promoviere an der Universität Hohenheim. Dabei beschäftige ich mich vor allem mit neuen und nachhaltigen Agrar- und Produktionssystemen. So kam ich bei einem Forschungsaufenthalt in Südafrika, wo es darum ging am Ostkap während der Trockenzeit mehr Lebensmittel produzieren zu können, in Berührung mit dem Aquaponikanbauverfahren. Dort war die Idee ein Kreislaufsystem auf Basis von Fischteichen und Gemüseproduktion aufzubauen, umso während der Trockenzeit sehr wassersparend produzieren zu können.
Davon abgeleitet habe ich dann, als ich zurück in Deutschland war, dass solche Produktionssysteme auch für Städte sehr sinnvoll wären. Daraufhin habe ich mit ein paar Freunden angefangen eine Aquaponicanlage zu bauen, und habe dann überlegt “Gut, wenn Leute nun auf dem Balkon oder auf der Terrasse gärtnern wollen, wollen sie vielleicht nicht auch noch Fische halten”. Woraufhin ich kurzerhand den Beitrag, den Fische bei der Aquaponikanlage leisten, durch einen Wurmkompost ersetzen. Das bietet zusätzlich den Vorteil, dass man komplett auf externe Inputs, wie zum Beispiel das Fischfutter, verzichten kann, sondern seinen eigenen Bioabfall recycelt und damit die Pflanzen düngt.
Welche Produkte und/ oder Dienstleistungen bietet ihr an und wie setzt sich der Preis der Produkte zusammen?
Primär bieten wir zwei Bauvarianten der Geco-Gartensysteme auf Basis des Terrabioponischen Anbauverfahren an. Einmal eine etwas größere Variante, die eher für Terrassen- und Freiflächen gedacht sind. Diese Variante ist aus Holz und beinhaltet mehrere Pflanzwannen, die modular aufgebaut und somit an jeden Standort anpassbar sind. Je mehr Fläche man hat, desto mehr Pflanzenwannen kann man anbauen. Dazu bieten wir eine zweite Variante an, die aus Gabionen-Gittern und würfelförmigen Kunststoffpflanztöpfen gefertigt wird. Diese ist speziell für kleinere Balkone oder Flächen gedacht, wo unsere Kunden ganz bequem hinter dem Balkongeländer,in der Balkonecke oder auf kleiner Grundfläche in die Höhe gehend anbauen können. Dies bildet unser unser Kerngeschäft.
Preislich liegt die pflanzfertig ausgelieferte Holzbauvariante bei ungefähr 2000€. Die Gabion- und Kunststoffvariante beginnt bei ungefähr 800€ für ein Komplettsystem. Der Preis setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Die Gartensysteme bestehen immer aus mehreren Pflanzwannen, je nachdem wieviel Platz man hat. Zusätzlich beeinhaltet diese eine Wurmkompostkiste mit mehreren Hundert Würmern und einen Wassertank. Alle Komponenten sind über ein Bewässerungssystem miteinander verbunden, welches unterirdisch durch die Pflanzwannen und durch den Wurmkompost verläuft. So werden die Pflanzennährstoffe direkt aus dem Kompost in den Wassertank ausgewaschen. Daraufhin wird das nährstoffreiche Wasser, die organische Nährlösung, mit Hilfe einer solarbetriebenen Pumpe mit Akku und Zeitschaltuhr durch die Pflanzwannen geleitet. Das heißt, wir liefern die Konstruktion und die Pflanzwannen, die Erde dazu, den Kompost mit Würmern und zusätzlich ein automatisiertes, solarbetriebenes Bewässerungssystem. Sprich wir bieten eine Komplettlösung für den einmaligen Kauf an, danach funktioniert das System nur mit den vorhandenen Ressourcen: Sonne, Wasser und Bioabfall.
Welche Zielgruppe habt ihr? Wie erreicht ihre diese, sprich welche Vertriebskanäle nutzt “Geco-Gardens”?
Unsere Zielgruppe sehr sehr divers, es ist gar nicht so einfach sie genau einzugrenzen. Anfangs haben wir gedacht, dass es vor allem für junge Familien, die gerne nachhaltig leben möchten und auch Kindern zeigen möchten, wie Lebensmittel produziert werden, interessant ist. Zwischenzeitlich muss ich sagen, dass die Zielgruppe sich durch alle Bevölkerungsschichten zieht. Wir haben Rentner, die sagen, dass sie sich beim Gärtnern nicht mehr bücken sondern lieber aufrecht stehen wollen. Wir bringen also auch den Vorteil von Hochbeeten mit. Auch der Fakt, dass sie keine schweren Gießkannen mehr schleppen möchten, wird von unserem automatischen Bewässerungssystem beachtet. Aktuell haben wir viele Anfragen aus Schulen, die Schülerprojekte mit den Gärten machen wollen. Generell haben wir Anfragen von Menschen jeglichen Alters, Alleinstehende, mit oder ohne Familie, bunt gemischt, auch nicht nur in Städten sondern auch Leute, die auf dem Land wohnen und den Gemüsegarten schon vor langer Zeit aufgegeben haben und jetzt eine einfache Möglichkeit suchen, um sich Kräuter, Salate oder auch Tomaten direkt auf der Terrasse zu züchten.
Wir erreichen unsere Zielgruppe in erster Linie über Messen und Märkte, wo wir Stände haben, vor allem in der Region rund um Stuttgart, wir sind aber eigentlich deutschlandweit unterwegs. Zusätzlich machen wir natürlich über Online-Marketing, Homepage, Facebook und andere sozialen Medien auf uns aufmerksam. Der wichtigste Teil ist die sehr große Presseresonanz, wodurch wir regelmäßig in Zeitungen, und ab und zu auch im Radio und im Fernsehen zu hören und sehen sind.
Abschließend würde uns sehr interessieren, welche Projekte und Ziele ihr für die Zukunft habt, sowie wie Initiativen und Unternehmen wie Geco-Gardens die Ernährung von morgen verändern können?
Wir verfolgen mehrere Ziele. Es geht mir vor allem darum, die landwirtschaftliche Produktion und das Wissen über den Ressourceneinsatz, die Arbeitskraft, den Landverbrauch und so weiter, der Stadtbevölkerung beziehungsweise den Konsumenten näher zu bringen.
Auf technischer Ebene sind wir gerade dabei auch größere Anlagen zu realisieren, dass wir mit unserem Anbausystem auch Gartenbeete in Form von Hügelbeeten ausstatten oder auch ganze Dachgärten anlegen können. Außerdem möchten wir den Kreislauf aus Pflanzen, Würmern und Wasser erweitern, indem wir beispielsweise wie bei der Aquaponic noch Fische mit einbinden können. Zur Produktion von Fischfutter können wir Pflanzenreste und Bioabfälle mit Hilfe von Insektenzucht recyclen. Holzige Biomasse ließe sich durch eine Pilzzucht verwerten . Das heißt, wir wollen den Kreislauf mit weiteren Komponenten, die auch alle Nahrungsmittel produzieren, ergänzen, um somit noch nachhaltiger zu produzieren und vor allem die ganzen organischen Reststoffe oder auch Lebensmittelabfälle in der Stadt zu recyceln und zu verwerten.
Damit kommen wir zu dem Punkt, wie können wir in Zukunft die Landwirtschaft unterstützen oder neue Agrarsysteme schaffen. Meiner Meinung nach können wir dies schaffen, indem wir die Menschen bzw die Konsumenten wieder an die Thematik heran führen, wie die Landwirtschaft eigentlich funktioniert,was alles dahinter steht und welche Auswirkungen die konventionelle Agrarproduktion auf Mensch, Umwelt und Klima hat.. Ein Riesenproblem ist das Wegwerfen von Lebensmitteln,. Wir wollen eine höhere Wertschätzung für Lebensmittel und die Landwirtschaft erreichen, dadurch dass die Leute selber gärtnern und wissen, wie aufwendig das ist, auch nur einen Salatkopf zu ziehen. Mit unserem Kreislaufsystem möchten wir zeigen, dass es funktioniert, mit lokal vorhandenen Ressourcen Lebensmittel zu produzieren und man nicht Düngemittel synthetisch mit einen wahnsinnigen Energieverbrauch wie bei Stickstoff oder im bergbaulichen Abbauen wie bei Phosphor in den USA, China oder Marokko, herstellen muss. Zusätzlich wollen wir zeigen, dass man auch auf kleiner Fläche sehr divers anbauen kann, die Pflanzen sich untereinander vertragen und man so einen höheren Flächenertrag als bei Monokulturen in der Landwirtschaft erreichen kann. Außerdem stellen die Gärten Ökosystemfunktionen bereit, wie zum Beispiel Sauerstoff durch die Photosynthese, einen Kühleffekt für da Stadtklima durch die Verdunstungskälte über die Blätter, die Bindung von CO2 in der Biomasse und später im Boden, die Bereitstellung von Habitaten für verschiedenste Tiere, Insekten und andere Pflanzen. Natürlich möchten wir auch die Städte grüner und ästhetischer gestalten, weil die Leute grundsätzlich gerne im Grünen und in der Natur sind, was man vor allem am Wochenende, wenn alle aus der Stadt aufs Land zum Wandern fahren oder jetzt im Sommer im See zu baden. Urbanes Gärtnern kann helfen die Landwirtschaft zukunftsfähig machen, indem wir die Konsumenten und Verbraucher wieder in die Produktion einbinden.
Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Zeit und wünsche Ihnen sowie Geco-Gardens alles Gute für die Zukunft und weiterhin viel Erfolg.