Man stelle sich den Kaffee-Kreislauf mal anders vor: Ein Kreislauf in dem die Produktion genau mit den Bedürfnissen der Produzenten und der Konsumenten abgestimmt ist. Ein Kreislauf, in dem Landwirte in weit entfernten Ländern wie Mexiko fair behandelt und bezahlt werden. Ein Kreislauf in dem der Kaffee aus Mexiko nach Europa emissionsarm verschifft wird. All das gehört zum wirtschaftlichen Konzept von Teikei Coffee, einem Hamburger Unternehmen, welches sich zum Ziel gemacht hat, die Kaffee-Wirtschaft in gemeinschaftlicher Perspektive zu denken. Im Interview mit Farmitoo erklärt Charlotte v. Wulffen, Öffentlichkeitsbeauftragte bei Teikei Coffee, die Idee und das Konzept, die hinter diesem spannenden Unternehmen stehen.
Hallo Charlotte! In erster Linie würde ich Dich gerne fragen, ob du uns kurz Eure Organisation vorstellen könntest: was genau ist Teikei Coffee?
Teikei Coffee ist eine Organisation der gemeinschaftsgetragenen Wirtschaft und eine Alternative zur herkömmlichen Kaffeewirtschaft. Das Wirtschaften basiert auf den Bedürfnissen der Beteiligten und der Gesellschaft, wodurch das Produkt Kaffee das Mittel zum Zweck der gemeinschaftsgetragenen Wirtschaft wird. Wir verbinden Kaffeebauern und -bäuerinnen in Mexiko mit Konsument*innen in Europa, die sich in lokalen Verbrauchsgemeinschaften organisieren. Als Leitbild hat sich Teikei Coffee die Solidarische Landwirtschaft (SoLawi) gesetzt, deren Prinzipien nach und nach auf den globalen Handel projiziert werden sollen.
Welche war die Idee, die Euch zur Gründung bewegt hat?
Hermann Pohlmann hat Teikei Coffee mit der Frage gegründet, ob sich die solidarische Landwirtschaft auch global denken lässt. Nachdem er in Brasilien mehrere solidarische Landwirtschaftshöfe mit aufgebaut und ein Netzwerk und Ausbildungen entwickelt hat, gründete er 2015 Teikei Coffee.
Zunächst verbreitete er seine Idee und fand in Esteban Acosta Pereira einen Freund und Partner mit Kaffeeexpertise und Wissen der biodynamischen Landwirtschaft.
Die soziale Plastik nach Joseph Beuys, also die gelebte Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit, sind für Hermann die grundlegende Idee der solidarischen Wirtschaft.
Mit der Zeit entwickelte sich ein Team mit diversesten Hintergründen, das gemeinsam die Entwicklung der Idee vorantreibt. Mithilfe einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne konnten wir 2018 fünf Tonnen Kaffee verteilen. Im Jahr 2019 wurden 20 Tonnen über den Atlantik nach Europa gesegelt. Dieses Jahr kommen 30 Tonnen herrliche grüne Bohnen mit der Avontuur (trotz Corona-Pandemie) nach Europa.
Wie seid Ihr auf den Namen „Teikei“ gekommen?
Der Begriff „Teikei“ kommt aus dem Japanischen und steht für Zusammenarbeit. Gleichzeitig hat auch die japanische Bewegung der Solidarischen Landwirtschaft diesen Begriff zu ihrem Namen gewählt. „Teikei“ ist damit nicht nur Name, sondern insbesondere auch das oberste Streben unseres Projekts, welches den Gedanken des gemeinschafsgetragenen Wirtschaftens verbreiten möchte.
Wie genau funktioniert also der Kreislauf, der über Eure Organisation läuft?
Die Kaffeepflanzen werden in den Bergen Oaxacas, Mexiko, von Kleinbauern und -bäuerinnen nachhaltig angebaut. Auf mexikanischer Seite berät Teikei Coffee gemeinsam mit den Partner*innen von BUNA – Café Rico die Landwirt*innen im Anbau, zur Kaffeequalität, in sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Dabei liegt der Fokus auf einer realistischen und gerechten Preiskalkulation und der Finanzierung der landwirtschaftlichen Betriebe.
Einmal im Jahr wird die Ernte der Höfe mit der Avontuur, einem Segelschiff der Timbercoast-Reederei, über den Atlantik nach Europa transportiert.
Das Segelschiff ist das Verbindungselement dieser angestrebten globalen solidarischen Landwirtschaft und transportiert die grünen Kaffeebohnen ökologisch sinnvoll in ca. 12 Wochen nach Hamburg, wo die Kaffeesäcke (in nicht Corona-Pandemiezeiten) mit 250 Freiwilligen, Flaschenzügen und Lastenrädern ausgeladen werden.
Um Teil von gemeinschaftsbasierten Wirtschaftsmodellen zu werden, muss sich mit dem eigenen Konsumverhalten auseinandergesetzt werden. Wie viel Kaffee verbrauche ich eigentlich? Den Jahresbedarf an Kaffee trägt man in das Ernteanteilsformular von Teikei Coffee ein und finanziert einen Jahresanteil direkt komplett vor. Damit ermöglicht man die frühzeitige Finanzierung des Anbaus und Transports. Über das kommende Jahr verteilt, erhält man dann frischgerösteten Kaffee direkt nach Hause oder zu einer Verbrauchsgemeinschaft vor Ort. Durch die Organisation in Verbrauchsgemeinschaften entwickelt sich ein dezentrales Netzwerk aus Mitgliedern, dass zum einen Transportwege verkürzt und zum anderen durch die Gemeinschaft resiliente Wirtschaftswege schafft. Teil der Teikei-Coffee-Gemeinschaft kann jede*r werden: Einzelpersonen oder bestehende Verbrauchsgemeinschaften, wie Solidarische Landwirtschaften und Lebensmittelkooperativen.
Welche sind zurzeit die größten Probleme des Kaffee-Marktes und wie wird sich dieser Deiner Meinung nach in Zukunft entwickeln?
Meiner Meinung nach leben wir in einer paradoxen Welt. Einer Welt, die sich zunehmend vernetzt und globalisiert, dadurch jedoch auch an Komplexität gewinnt, negative Abhängigkeiten und hohe gesellschaftliche Kosten verwischt. Diese Kosten werden zunehmend höher und von denjenigen getragen, die ohnehin schon beispielsweise an den Folgen des Klimawandels leiden. Für den Kaffeemarkt kann man dieses Paradoxon auf verschiedene Ebenen übertragen: die Herausforderungen für Mensch und Natur, um mit dem Klimawandel umzugehen, ebenso die Entfremdung vom Produkt und der Arbeit dahinter.
Wenn sich das Klima nicht grundlegend ändert (was wir nicht wollen), wird es viele Orte auf unserem Planeten Erde geben, die nicht die Voraussetzungen für den Kaffeeanbau haben. Dennoch trinken immer mehr Menschen an vielen, vielen Orten auf der Erde täglich Kaffee. Um den täglichen Kaffeebedarf auch auf nachhaltige Weise genießen zu können, braucht es aber nicht nur ein Umdenken im Transport (beispielsweise durch einen emissionsarmen Transport), sondern ebenso nachhaltige Anbauweisen, einen Wandel im Konsum und sinnvolle Netzwerke für Kommunikation und Wirtschaft.
Der Status Quo der Kaffeewirtschaft ist, dass der Preis für den Kaffee nur selten im rechten Verhältnis zu den Kosten oder gar den Bedürfnissen der Kaffeebäuerinnen und -Bauern steht. Hier liegen gleichzeitig die größten Unsicherheiten und Risiken, während die finanzielle Wertschätzung häufig in kein Verhältnis gebracht wird. Wer am Kaffee verdient sind andere, beispielsweise Kapselhersteller und Zwischenhändler. Besonders in Zeiten des Klimawandels ist der Kaffeeanbau eine schwierige Aufgabe.
Die Arabica-Pflanze reagiert sensibel auf Veränderungen der Temperatur und des Niederschlags. Auf vielen Farmen gibt es Probleme mit Kaffeerost, einer Kaffeepflanzen-Krankheit, die die Blätter gelb färbt und den Ertrag verringert. Vielfach fehlt es auf Seiten der Produzent*innen an Zugang zu Techniken und auch finanziellen Mitteln für nachhaltige Anbaumethoden. Das Ergebnis: die Natur und Menschen leiden.
Viele Kaffeebäuerinnen und -Bauern sind abhängig vom unglaublich niedrigen Weltmarktpreis, dem Machtgefüge großer Konzerne und Käufern, die keineswegs Abnahmesicherheit versprechen.
Gerade jetzt in der Corona-Pandemie haben es die Produzent*innen schwer ihre Ernte zu einem guten Preis zu verkaufen, da ihnen der Zugang zu einem fairen Markt häufig fehlt. Viele organisieren sich in Kooperativen, die sowohl positive Entwicklungen als auch erneute Abhängigkeiten bedeuten können.
Um diesen Konflikten der Kaffee-Wirtschaft zu begegnen, ist es wichtig einander auf Augenhöhe zu begegnen. Für die Gestaltung eines wirklich fairen und nachhaltigen Kaffeehandel, braucht es den Zugang aller Beteiligten zum Wirtschaftsleben und den regelmäßigen Austausch über Bedürfnisse. Bis es flächendeckend eine faire und nachhaltige Kaffeewirtschaft geben wird, wird wohl noch ein bisschen Zeit vergehen.